Eine kurze Geschichte meiner Welt in sehr kleinen Teilen.

Der Roman


Gott ist kein Zigarettenautomat Matthias Gerhards
Knaus Verlag 2013
ISBN: 978-3-8135-0550-4

Die Presse:
“eine beachtliche, stilsichere und höchst unterhaltsame Schelmen-, Underdog- und Coming-of-Age-Geschichte”
FAZ 10.12.13

"Bücher die der Verlag als witzig anpreist, sind es meistens nicht. Dieses schon."
Playboy Okt. 13

"ein herzergreifend poetisches Buch, ohne schnulzig zu sein... ein witziges Buch, ohne flach oder geschmacklos zu sein."
www.stagecat.de

"Ein beeindruckender, ergreifender, dichter Coming-of-Age Roman, der die 80er Jahre aufleben lässt..." Evangelisches Literaturportal Jan 2014

Amok Global

Der vereitelte Amoklauf in Weiden ist nun gar nicht vereitelt worden. Scheinbar hatten die beiden beinahe Täter den Plan schon aufgegeben, bevor die Polizei eingriff. Aber ich will jetzt hier gar nicht diskutieren, ob die Polizei an dem Selbstmord schuld war oder nicht.

Ich möchte vielmehr einen Aspekt beleuchten, den Herr F. in einem Kommentar zu meinem Beitrag "Kill Weiden" aufgebracht hat: Warum sind es eigentlich meistens Gymnasiasten, die Amok laufen? Sind die Haupt- und Realschüler zu blöd? Haben sie weniger Gewaltphantasien. Leiden sie weniger, wenn man sie missachtet oder quält? Bemerken sie ihre eigene Tragödie nicht? Oder stimmt die These von Herrn F., dass sie einfach weniger Aggressionen anstauen, weil sie sich ab und zu beherzt aufs Maul hauen. In einem Beitrag auf WDR3 (so was höre ich in letzter Zeit erschreckend häufig) wurde die These geäußert, dass man solche Phänomene nur durch die Psyche der Täter erklären könne. Denn die Umstände seien für viele Schüler gleich. Das stimmt schon, aber woher kommt dann der Anstieg solcher Ereignisse in den letzten Jahren? Eine Mode? Oder hat es doch mit den Veränderungen in unserer Gesellschaft zu tun?

Meine Vermutung ist, dass es sich um eine Art von globalisiertem Selbstdarstellungswahn handelt. Die Täter werden innerlich durch ein übersteigertes Geltungsbedürfnis angetrieben. Und sie erleben gleichzeitig, dass sie in ihrem Umfeld überhaupt keine Möglichkeit habe, diese Aufmerksamkeit zu erlangen. In der globalen Realität der Film-, Musik- und sonstiger Stars gilt jedoch nur etwas, wer es schafft zu Ruhm zu kommen. Wir messen uns nicht mehr nur an Nachbarn und Freunden, sondern gleich an den internationalen Größen. Am Ende geht es um die Aufmerksamkeit der ganzen Welt. Und die kann man natürlich nicht erreichen, wenn man das Schulklo anzündet oder den Hund vom Nachbarn massakriert. Das muss schon etwas her, auf das die Welt schaut. Damit der Täter wenigstens für einige Stunden das sein kann, was er im Inneren zu sein glaubt. Ein Subjekt, dem globale Aufmerksamkeit gebührt.

Menschen die über so eine innere Struktur verfügen, begnügen sich natürlich nicht damit eine Hauptschule zu besuchen. Sie gehen auf die „höhere“ Schule. Deshalb sind Amokläufe von Gymnasien wahrscheinlicher als auf anderen Schulformen. Aber auch dass ist nicht in Stein gemeißelt, denn in allen Teilen der Gesellschaft steigt das Bedürfnis sich öffentlich zu inszenieren. Also demnächst Vorsicht in der Fußgängerzone.
Matthias Gerhards 22. Nov, 07:51 | 6 Kommentare - Kommentar verfassen
Fischamenn - 23. Nov, 01:59

Ähm...

Wenn ich mich recht entsinne, kamst du ja vor fast zwanzig Jahren in den Genuss, dir in deinem Deutsch-LK bei Onkel Müssener den Werther zu Gemüte zu führen... Womöglich bildet die Rezeptionsgeschichte dieses drögen Machwerks gleich einen Sack von Antworten auf die Fragen, die du hier anreißt: Der Mensch ahmt eben nach - so lernt er und so lebt er und so stirbt er dann manchmal auch.

Dass man die Tat nur aus der Psyche der Täter erklären kann, klingt ziemlich banal - woraus denn sonst?

Aber weil sich der Amokläufer traditionellerweise am Ende selber wegputzt (und zwar unmittelbar!)
greift die These der Ruhmsucht eigentlich nicht so richtig, denn er kann sich ja in seiner Popularität erst posthum aalen - dreht sich also im allerbesten Fall nur im eigenen Grab um.
Tatsächlich hegen aber wohl viele dieser Persönlichkeiten die pubertäre Phantasie, dass alle möglichen Leute nach dem vollendeten Blutbad samt Selbstrichtung an ihren Gräbern stehen, sich bittere Vorwürfe machen oder auf irgendeine andere Art Reue und Läuterung bekunden.

Sowas zeugt ja immerhin schon mal von der Fähigkeit zur Imagination.

Und dass die Liebhaber der Amoklauferei in der Regel
auf höheren Schulformen ihre Bänkchen drücken, ist vielleicht nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Imagination und Planungskompetenz - die ja für ein gelungenes Blutbad mit beeindruckenden Ausmaßen ohne Zweifel benötigt werden - den meisten Hauptschülern wohl abgeht. Was nicht heißt, dass alle Hauptschüler doof sind (genausowenig sind alle Gymnasiasten intelligent), aber wären Hauptschüler gute Imaginierer und Planer, säßen sie wohl nicht dort.

Der einzige mir bekannte "Amoklauf" an einer Hauptschule lief jedenfalls wie folgt ab:

Ein Schüler stürmte mit einer scharfen Schusswaffe einen Klassenraum, pöbelte den Lehrer an, bedrohte diesen mit seiner Wumme, lief schreiend wieder raus und schoss vor dem Schulgelände dreimal in den Bürgersteig.

Unmittelbar darauf wurde er von einer SEK-Abordnung - ob seiner Doofheit völlig zu Recht -windelweich geprügelt.

So geschehen in Düsseldorf.

Mal ehrlich: Sieht das etwa nach vernünftiger Planung aus?

Gruß

Herr F.
antworten

Matthias Gerhards - 24. Nov, 08:44

Ich vergesse

Stimmt den Deutsch LK bei Müssner hatte ich auch. Aber du warst nicht dabei oder? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Das ist wirklich erschreckend. Aber ich habe sechs Jahre an einer Hauptschule verbracht. Dort bin ich auf eine Menge Leute gestoßen, die über ausreichende Planungskompetenz verfügten, um so etwas wie in Emsdetten hin zu bekommen. Da das meistens Bauernsöhne waren, habe sie ihre Agressionen vermutlich am Viehzeug ausgelassen. Deshalb lebe ich noch meine damaligen Lehrer auch noch.

Aber es stimmt schon, dass vermutlich die Vorbilder eine große Rolle spielen. Aber ich würde trotzdem gerne mal einige Stunden in der Seele eines solchen Typen verbringen, der bereit ist zu sterben, um Aufmerksamkeit zu erlagen oder Rache zu üben.
Fischamenn - 24. Nov, 13:56

Ja, ja, das Alter...

Nö, Müssener hatte ich nich' - ich war der Primus bei Tante Klemm.

Aber keine Sorge: Verdrängung, diffuse Amnesie und gallopierende Demenz gehören ja gemeinhin zu den seelischen Überlebensstrategien eines jeden Individuums.
Trotzdem hätte ich gern gewusst, ob du noch Kontakt zu Hacki hast - falls du dich nicht mehr erinnerst: Zusammen mit ihm und Herrn Mertens (?) hattest du mal eine Firma gegründet. Hackibär soll ja nun Jäger sein und ich würde ihn mal gern kontakten...

Was planungskompetente Hauptschüler angeht, denke ich, dass sich die Sache in den letzten Jahren sehr geändert hat - nahezu jeder Hauptschullehrer wird bestätigen können, dass man heute über neunzig Prozent des Schülerklientels "nur noch verwalten kann" - vor allem in städtischen Schulen. Unter den restlichen zehn Prozent befinden sich jedoch immer noch sehr patente Leute.

Die Tendenz zur Verblödung und kulturellen Verwahrlosung großer Bevölkerungsteile hat viele Gründe. Sie beschränkt sich auch nicht auf eine Schulform: Am Gymnasium habe ich Neuntklässler, die glaubhaft bekunden jegliche Schulbuchtexte nicht zu verstehen, da diese "zu schwer" seien, in den Deutschkursen der Oberstufe wird z.B. Goethe regelmäßig bezichtigt "Mittelhochdeutsch(!)" (...sofern das Wort den Schülern bekannt ist...) geschrieben zu haben und der GK-Geschichte in der Zwölf war insgesamt nicht in der Lage, die Titelgeschichte des Spiegels zu lesen ("zu lang") und zu verstehen ("zu schwer").

Nun könnte man meinen, dass dies pure Faulheit sei - in den letzten Jahren beschleicht mich jedoch die Überzeugung, dass die Kids das wirklich ernst meinen:
Der jüngste Beweis für diesen Umstand ist mein türkischer Schüler B., der gestern das o.g. Unvermögen äußerte - und er ist sehr wohl "des Deutschen mächtig" (was auch immer das in Anbetracht der geschilderten Umstände heute heißen mag...).
Und als gestandener Fundamentalist lügt er laut eigener Aussage niemals, weil ja auf seinen Schultern "zwei Engel" sitzen: Der eine schreibt die guten Taten auf, der andere die bösen...

Und Herr F. - er sitzt oft vorne am Pult - die nicht gemachten Hausaufgaben...

Gruß

Herr F.
antworten

Matthias Gerhards - 26. Nov, 21:31

Kontakt zu Stefan habe ich nicht mehr. Aber ich kenne seine Mailadresse. Wenn du mir deine Adresse zumailst, schicke ich sie dir. Hier will ich sie nicht rein stellen, weil sonst die Spammer kommen.
kid37 - 24. Nov, 22:49

Ich erstaunte neulich Kollegen, als ich meinte, vor über zwanzig Jahren hätten wir solche Gedanken am Gymnasium auch ab und an gehabt. "Doofer Lehrer XY, doofe Schule - morgen wird alles brennen". Für mich eigentlich ganz "normale" pubertäre Omnipotenzphantasien, die damals aber dort blieben, wo sie hingehören: Im Reich der Phantasie. Damals hat ja auch keiner gewußt, daß es sowas wirklich geben könnte. Geschweige denn, daß jemand die Waffen besessen hätte. Aber ich glaube, die "Inszenierungssucht" braucht keine größere Öffentlichkeit. Die Rechtfertigung und Demonstration der Stärke vor Mitschülern und Lehrern reicht sicherlich aus.

Meine (ein paar Jahre jüngeren) Kollegen schauten übrigens ungläubig. Solche Frust-Bewältigungsphantasien wären an ihren Gymnasien völlig unbekannt gewesen.
antworten

Matthias Gerhards - 24. Nov, 23:18

Erinnerung ist Mist

Vielleicht! Ich beobachte in letzter Zeit immer stärker, dass die Selbstdarstellung im Internet eine immer wichtigere Rolle spielt. Diese Jungs hier hatten auch eine Website, wenn ich das richtig mitbekommen habe. (Dieser Blog ist eigentlich auch so ein Beispiel für diese Internetdarstellungssucht. Wer weiß, was ich morgen mache?)

Was die Erinnerung angeht: Die Frage ist immer, welchen Teil seiner Gedanken man später besser wieder vergißt. Die Kollegen wollten sich vielleicht nicht mehr an ihre eigene Peinlichkeit erinnern. Ein präzises Erinnerungsvermögen ist eine Qual.

Ich hatte solche Gedanken auch, als ich in der 8 oder der 9 war. Auf einer Hauptschule. Später verschwand das, weil ich mich selbst entschieden hatte nach der 10 weiter auf ein Gymnasium zu gehen. Ich hätte jederzeit sagen können: "Ich höre auf." Denn es gab niemanden, der mich gezwungen hätte. Deshalb hatte ich auch keinen Schulfrust. Vielleicht sollte man die Schulpflicht abschaffen, dann gehen die Leuter wieder freiwillig.

(Das würde es den Lehrern sicher einfacher machen. Herr F. hätte bestimmt mehr Spaß an seinem Job und wir bekämen eine richtige Unterschicht. Nicht nur ein billiges Präkariat.)

famose letzte worte

Frau mit gans
also kleine kaff ist etwas hart mülheim an der ruhr...
Sascha (Gast) - 16. Apr, 13:59
Auf jeden Fall ist es...
Auf jeden Fall ist es eine Leistung sich da hinzustellen...
Matthias Gerhards - 31. Jan, 14:26
Dass die junge Dame nicht...
Dass die junge Dame nicht das perfekte Lösungsangebot...
iGing - 25. Jan, 18:59

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