Eine kurze Geschichte meiner Welt in sehr kleinen Teilen.

Der Roman


Gott ist kein Zigarettenautomat Matthias Gerhards
Knaus Verlag 2013
ISBN: 978-3-8135-0550-4

Die Presse:
“eine beachtliche, stilsichere und höchst unterhaltsame Schelmen-, Underdog- und Coming-of-Age-Geschichte”
FAZ 10.12.13

"Bücher die der Verlag als witzig anpreist, sind es meistens nicht. Dieses schon."
Playboy Okt. 13

"ein herzergreifend poetisches Buch, ohne schnulzig zu sein... ein witziges Buch, ohne flach oder geschmacklos zu sein."
www.stagecat.de

"Ein beeindruckender, ergreifender, dichter Coming-of-Age Roman, der die 80er Jahre aufleben lässt..." Evangelisches Literaturportal Jan 2014

neuere Beiträge

Nachbarschaft

Wir leben nun in einer bürgerlichen Wohngegend. In einem ereignislosen, wohlhabenden Viertel einer Kleinstadt. Die Nachbarn scheinen äußerst freundlich. Viele haben Kinder im Alter meine Kinder. Sie spielen auf der Straße, weil es fast keinen Autoverkehr gibt. In den Abendstunden legen sich die Geräusche der Kinder wie eine tröstliche Glocke auf unsere Gemüter.

Bereits am Tag unseres Einzugs sind wir freudig begrüßt worden. Wir bekamen Brot und Salz. Es gibt sogar ein Straßenfest, das von den Bewohnern selbst ausgerichtet wird. Ich glaube wir sind schon eingeplant worden. Und das erstaunlichste ist: Es stört mich gar nicht.

Kann man in einer solchen Umgebung schreiben? Wird nicht vielleicht die Kreativität von der Idylle erstickt. Und was steckt hinter den Fassaden? Es gibt einige Künstler, die in solchen Umgebungen lebten und daraus auch ihre Schaffenskraft bezogen. Das gilt beispielsweise für Magritte, aber er war Belgier. Ich glaube auch Nick Hornby lebt in einem Reihenhaus. Aber vermutlich in London. Mehr Beispiele fallen mir auch schon nicht mehr ein. Es steht zu befürchten, dass ich es darauf ankommen lassen muss.
Matthias Gerhards 25. Apr, 23:54 | 7 Kommentare - Kommentar verfassen

Umzug like Hell

Was ist eigentlich so schlimm an einem Umzug (deutsch für Übersiedelung)? Nichts, wenn man nur gut vorbereitet ist. Man verzichtete einfach für ein, zwei Wochen auf die Sachen, die man ohnehin kaum braucht und verpackt den Krempel in schon einmal in Kisten: Zahnbürste, Kondome, Fernsehzeitung, warme Kleidung, Personalausweis, Führerschein, Ersatzpackung Kondome.

Anschließend muss man sich mit Freuden und bezahlten Helfern einen Tag lang wirklich anstrengen. Als Ergebnis erhält man ein unbeschreibliches Chaos. Jetzt sich nicht nur alle Sache unauffindbar, die schon vorher verschwunden waren. Es sind per se alle Dinge verschwunden, die man gerade benötigen könnte. Dafür findet man Sachen, von denen man gehofft hatte, sie wären längst weg. Man hört Sätze wie:
„Ich wusste nicht, dass du früher Pullunder getragen hast.“
„Wer ist eigentlich diese Marla, die dir so viele Briefe geschrieben hat?“
Den Rest kann man sich denken.

Danach schwebt man einige Tage lang zwischen dem alten Leben und der neuen Unordnung. Nichts funktioniert wie gewohnt. Es gibt keine Espresso, der Herd hat noch keinen Strom und der Kühlschrank muss neu gefüllt werden. Dann wird einem klar, dass die Geschäfte am Sonntag geschlossen haben und man keinen der Nachbarn kennt, um sich etwas auszuborgen. Seltsamerweise hat man das alles vorher gewusst, wird aber trotzdem von den Ereignissen überrollt. Aber es gibt kein Zurück. Das Alte ist verschwunden und das Neue hat noch keine Konturen angenommen. Ein Umzug ist wie die Häutung einer Schlange. Eine Art von unvermeidbarer Selbstentblößung.
Matthias Gerhards 23. Apr, 23:09 | 6 Kommentare - Kommentar verfassen

Auch du mein Nachbar…

Vor einigen Tagen hing ein offener Brief an unserer Tür. Er begann folgendermaßen:

„Seien Sie froh, dass niemand über Ihnen wohnt, der auf ihrem Kopf und auf ihren Nerven herumtrampelt. Zum wiederholten Mal möchte ich Sie bitten, den Lärm am späten Abend zu unterlassen…“

Der Mensch der ihn geschrieben hat, wohnt schräg unter uns. Er sieht aus wie ein Zombie mit Sturmfrisur und hat bis vor einigen Jahren bei seiner Mutter gewohnt. Er ist mindestens vierzig. Zuerst bin ich davon ausgegangen, dass der Brief an unsere Nachbarn gerichtet war und habe ihn einfach an die andere Tür geklebt. Doch am nächsten Tag hing er wieder bei uns.

Aber wir haben einen sieben Monate alten Säugling, der schlecht schläft. Wir flüstern meistens und gehen leise, damit das Kind nicht aufwacht. Außerdem fallen wir nach zehn Uhr wie tot ins Bett. Das Schicksal der Eltern. Wir können keinen Lärm machen. Wir würden gerne. Aber es ist einfach unmöglich. Darüber hinaus hat er noch niemals mit uns über irgendein Geräusch gesprochen. Einige Male habe ich deshalb, bei ihm geklingelt, um die Angelegenheit mit ihm zu klären. Aber er hat die Tür nicht geöffnet.

Heute traf ich ihn im Flur. Er hatte sich die Haare abrasiert und schaute an mir vorbei. Plötzlich hatte er eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Mörder von Blacksburg. Langsam beginne ich mir Sorgen zu machen. Am meisten über mich selbst.
Matthias Gerhards 20. Apr, 22:55 | 7 Kommentare - Kommentar verfassen

Amoklauf (19.04.2007)

Über das Unglaubliche kann man kaum sprechen. Aber nach dem Amoklauf von Blacksburg fragte man sich natürlich wie so ein Typ an legale Schusswaffen kommen konnte. Möglicherweise wäre das Morden anders verlaufen, wenn er sich nicht im nächsten Laden eine Walter hätte kaufen können. Dann wären vielleicht nur halb so viele Menschen gestorben. Der freie Verkauf von Schusswaffen ist ein unbeschreiblicher Schwachsinn, aber für die Ereignisse von Blacksburg ist er nur in sehr geringem Maße verantwortlich.

Aber ich stelle mir die Frage, wie der Mörder auf die Idee gekommen ist, gerade so zu handeln, wie er gehandelt hat? Woher stammen diese Motive, die er dann in die Tat umsetzt. Und ich denke, sie kommen weniger aus Filmen oder Videospielen, sondern aus der aktuellen Berichterstattung über ähnliche Fälle. In seinem Bekennervideo verweist er auf die Ereignisse an der Columbine High. Dort liegen scheinbar seine Vorbilder. Das Bedürfnis wenigstens für einige Tage ein Star zu sein, spielt höchst wahrscheinlich auch eine Rolle. Schon jetzt ist der Name Cho Seung Hui schon fast wieder raus aus den Schlagzeilen.

Wenn Spiegel und CNN nach Verantwortung fragen, stellen Sie natürlich nicht die Frage nach ihrer eigenen Verantwortung. Aber die Darstellung und die mediale Aufbereitung lockt weitere Täter an und sie entnehmen daraus die Handlungsanleitungen für ihre Taten. Aber natürlich stellt sich die Frage, ob man so ein Ereignis überhaupt unkommentiert lassen kann. In der medialen Gesellschaft ist das unmöglich. Aber vielleicht ist das der Preis für unsere Lebensweise.
Matthias Gerhards 19. Apr, 23:38 | 0 Kommentare - Kommentar verfassen

Kinder sind... 1a nervig und Zukunft

Kinder-sind-zukunftEgal was ich auch immer tun werde, ich kann mir ein Leben ohne Kinder nicht (mehr) vorstellen. Auch wenn sie immer mehr Energie einfordern, als ich es mir jemals vorher ausgemalt habe und natürlich auch mehr als ich jemals besitzen werde. Auch wenn alles langsamer geht mit ihnen und nichts mehr so ist wie früher. Der Gegenwert besteht einfach in Glück. Ich war in meinem vorherigen Leben nicht glücklich. Erst seitdem ich Kinder habe, weiß ich, was das ist. Soviel zur Vorrede.

Aber diese „Kinder sind Zukunft“ Kampagne ist wirklich das Letzte. Kaum hat man festgestellt, ohne die Blagen die Renten nicht mehr zu retten sind und das Land im Alterstarrsinn versinkt, fällt uns auf, dass Kinder irgendwie Zukunft sind. Klar. Finde ich auch. Nicht Spaß oder Glück, nein Zukunft. Das hat eine gesellschaftliche Dimension. Vorher waren wir das Land der „Spiele verboten“ Schilder, heute bekommt jede Frau das Mütterverdienstkreuz, der es gelingt einen paarungswilliges Männchen zu finden.

Auf einmal kann man etwas anfangen mit den lieben Kleinen. Sie sind Humankapital. Da werden sogar die deutschen Medien wach und zaubern ein süßes Logo, auf alle Fernsehbildschirme. In der Zeitung hätte es eh kein Schwein interessiert. Kurzerhand wird uns suggeriert, dass es irgendwie quasi eine Pflicht ist, so viele Kinder zu kriegen wie nur möglich. Vorher waren kinderreiche Familien entweder adelig oder assig. Aber jetzt soll auch der Mittelstand ran. Ich kann mich diesem Aufruf nur anschließen: Liebe Frauen bitte werft, was das Zeug hält. Vielleicht sollte der Kaiser, ein Familiennotstandsgesetz erlassen und den Schaumwein besteuern, um einen Feldzug gegen die Kinderlosigkeit zu finanzieren. Ach so, den Kaiser gibt’s nicht mehr? Was machen wir den jetzt? Ich weiß auch nicht. Vielleicht: Blasen für die Bundeskanzlerin. Aber das bring es irgendwie nicht. Dann vielleicht: Ficken für den Führer?
Matthias Gerhards 17. Apr, 23:48 | 10 Kommentare - Kommentar verfassen

Absturz in die Morgenluft

Die schönste Zeit eines Sommertages sind die Stunden bevor die Hitze beginnt. Wenn das Licht noch klar ist und der Tau aus den Wiesen dunstet. Aber wir haben noch lange nicht Sommer.

Die Zeit der Zukunftsängste scheint vorbei zu sein, sie sind in den achtziger Jahren aufgezehrt worden. Manchmal denke ich, dass angesichts dieses Wetters eine anständige Panik mehr als angebracht wäre. Aber wir verhalten uns wie Piloten beim Absturz eines Flugzeuges. Wir bleiben ruhig und regeln den Untergang.
Matthias Gerhards 15. Apr, 09:23 | 6 Kommentare - Kommentar verfassen

No Guru, no Method, no Teacher

Zum Trost höre ich mir gerade die "No Guru, no Method, no Teacher" von Van Morrison an. Die Texte könnte man auch als Lyrik Bände veröffentlichen. Sie sind so einfach wie die Gedichte von William Carlos Williams.

Got to go back

When I was a yound boy
back in Orangefield,
I used to gaze out
my classroom window
and dream
and then go home
listen to Ray sing
I believe to my soul after
school.
Matthias Gerhards 14. Apr, 07:29 | 2 Kommentare - Kommentar verfassen

Bei Piper nix Neues

Bisher noch keine Reaktion vom Piperverlag. Aber langsam dämmert mir, dass die Lektorin den Text vermutlich noch nicht gelesen hat. In ihrer Mail fragte sie schließlich nur, ob mein Projekt schon verkauft ist. Also ob es überhaupt Sinn macht zu lesen. Deshalb habe ich ihr nochmal die überarbeitete Fassung zukommen lassen. Aber auch wenn jetzt eine Absage heraus kommt, gibt mir das trotztdem einen neuen Schub. Das Buch muss fertig werden und die Geschichte scheint zu überzeugen, denn wenigstens das Exposé muss sie wohl gelesen zu haben. Hoffentlich!
Matthias Gerhards 14. Apr, 06:57 | 4 Kommentare - Kommentar verfassen

Pipers Höllenqualen

Ich befinde mich gerade im absoluten Chaos meines Umzuges. Mein kleiner Sohn läßt uns nicht schlafen. In meinem Job gibt es so viel zu tun, dass ich nie vor 20:00 Uhr nach Hause komme. In diesem ungünstigsten aller Augenblicke, erscheint eine Mail des Piper Verlages. Man habe meine Exposé erst auf Umwegen auf den Schreibtisch bekommen, ob ich mein Buch denn schon verkauft hätte?

Eigentlich hätte ich am liebsten sofort losgeschrien: Neeeeein! Natürlich nicht. Sie Geschenk des Himmels. Aber ich habe mich mit einer knappen und gefassten Mail begnügt. Schließlich muß man cool bleiben.

Das war gestern. Heute habe ich ungefähr alle fünf Minuten in mein Postfach geschaut. Keine Mail. Ich leide Höllenqualen. Dabei fällt mir ein, dass ich meine Überarbeitung noch nicht abgeschlossen habe. Im Exposé waren nur die ersten drei Kapitel. Der Rest ist sicher unlesbar. Ich brauche mehr Zeit. Jetzt kann ich unmöglich meinen Text aus der Hand geben. Meine Zähne beginnen zu klappern. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich brauche Schnaps.
Matthias Gerhards 12. Apr, 21:48 | 14 Kommentare - Kommentar verfassen

Die Magie des Unbekannten, Aus: Die sieben Dinge meines Lebens.

Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube auch nicht daran, dass die Welt aus etwas anderem besteht, als aus Materie. Aber ich glaube an die Magie der Dinge. Ich bin überzeugt davon, dass der Espresso, den ich trinke, eine Seele hat. Ich schmecke die Sonne, die darin steckt und den Wind, die ölige Luft eines Containerschiffes und manchmal sogar den Urin der Hunde, die sich auf den Kaffeeplantagen herumgetrieben haben.

Wenn ich eine Goldbrasse kaufe, einen Steinbeißer oder einen Schwertfisch, möchte ich wissen, wo er her kommt. Ich möchte erfahren, welchen Ozean er durchquert hat und ob er jemals das grünliche Licht der Tiefe gesehen hat. Natürlich erfahre ich es meistens nicht und ich bin auch nicht verrückt genug, die siebzehnjährige Verkäuferin danach zu fragen. Aber ich versuche in den Augen zu lesen, bemühe mich die Schuppen zu deuten und betrachte das Blut in den Kiemen.

Wenn ich auf eine unbekannte Pflanze stoße, rieche ich daran. Es drängt mich ihren Geruch in mir aufzunehmen, damit ich mich daran erinnern kann, wenn sie verschwunden ist. Ich bereue jedes Mal, dass mein Bestimmungsbuch zu schwer ist für einen Spaziergang. Stattdessen nehme ich Blätter und Blüten mit nach Hause, um zu erfahren ob es sich um Zaunwinde, Schwarzdorn, Zitronenquitten, Fenchel oder wilden Möhren handelt. Meistens esse ich sogar ein winziges Stück davon, um zu prüfen, ob sie genießbar ist. Meine Liebste hält mich für verrückt in diesen Belangen. Aber alles was geschaffen wurde, besitzt eine Geschichte, die man nur erfahren kann, wenn man es in sich aufnimmt. Außerdem gibt es nur sehr wenige wirklich giftige Pflanzen.

Vielleicht hängt es damit zusammen wie ich aufgewachsen bin. Als ich ein Kind war, waren wir nach heutigen Maßstäben arm. Meine Eltern hatte eine Schäferei und mein Vater arbeitete als Hilfsarbeiter. Später hat sich vieles geändert. Mein Vater brachte es bis zum Techniker und wir rückten in die Mittelklasse auf. Aber in diesen frühen Jahren war ich sehr viel allein. Meine Eltern und meine Brüder arbeiteten am Haus oder auf dem Hof und ich war immer zu jung und zu schwach, um von irgendeinem Nutzen zu sein. Ich weiß nicht genau, ob es an der Einsamkeit lag. Aber ich begann die Welt um mich herum zu betrachten als wäre ich ein Fremder darin.

Einmal fand ich bei meinen Streifzügen durch unter Haus eine Schachtel mit alten Photos. Sie zeigten meinen Großvater. Er war Fernfahrer und saß auf seinem Lastwagen. Das kleine Mädchen neben ihm war meine Mutter. Sie trug eine lächerlich große Schleife und wirkte noch ärmlicher und verzweifelter als in meinen Kindertagen. Die Aufnahmen waren während des Krieges entstanden. Weshalb mich diese Bilder so beeindruckten, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber sie führten mir etwas vor Augen, was für einen Erwachsenen so selbstverständlich ist, dass man es kaum ausdrücken kann. Ich verstand plötzlich, dass es vor mir auch schon Menschen gegeben hatte. Das fand ich damals keineswegs selbstverständlich. Jedenfalls hatte ich vorher darüber noch niemals nachgedacht.

In dieser Zeit begann ich meine ersten Gedanken zu entwickeln. Manche von davon verfolgen mich noch heute. Oft saß ich stundenlang an einem Fleck und dachte nach. Ich versuchte alles was ich beobachtete mit meinem Verstand zu begreifen. Meine Mutter versuchte mich immer dazu zu bewegen, dass Haus zu verlassen. Sie hielt Sonne und Luft für die wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Erziehung. Aber es gelang ihr selten. Noch heute sitze ich am liebsten bei strahlendem Sonnenschein an meinem Schreibtisch und arbeite.
Der erste Gedanke, an den ich mich erinnern kann, war eine Frage. Ich frage mich, warum ich gerade in diesen Körper und in dieses Leben hinein geboren worden war. Ich fürchtete mich davor zu erwachen und fest zu stellen, dass ich als (wirklich) armes Kind in einem anderen Land oder ein anderen Zeit lebte. So wie meine Mutter, die mit einer lächerlichen Schleife den ganzen Krieg überstehen musste. Diese Angst in Wirklichkeit ein Anderer zu sein, verfolgte mich über viele Jahre hinweg.

Deshalb habe ich mir die Dinge, die mich umgaben sehr genau eingeprägt, so als wären sie neu und vollkommen unbekannt. Sollte ich in einer anderen, schrecklichen Welt erwachen, würde ich mich wenigstens daran erinnern können. Natürlich stellte ich dabei fest, dass ich die meisten Dinge tatsächlich kaum kannte. Bisher hatte ich nur ihre Oberfläche wahrgenommen. Aber mir waren die Dellen, die Kratzer und die Flecken entgangen. Ich hatte die Lebensspuren übersehen. Allmählich begriff ich, dass jedes Ding eine Vergangenheit hatte, wie ein Mensch oder eine Familie. Eine Geschichte. Ich verbrachte Stunden damit die belanglosesten Sachen anzustarren. Die handbetriebene Kaffeemühle (alle anderen im Dorf hatten eine Elektrische); die Schafställe, Schermaschinen, Traktoren, Zäune und Schlachtvorrichtungen; das Porzellan mit chinesischen Motiven, den Duschvorhand, die Handwaschpaste und das ewig blitzsaubere Fahrrad meines Bruder. Kurz darauf brachte meine Mutter mich zu einem Psychologen.

Seit dieser Zeit bin ich fasziniert von dem Gedanken, dass man mit jedem Gegenstand eine Geschichte erzählen kann, die sich über viele hundert Jahre erstreckt. Ich könnte von seiner Erfindung berichten oder von seiner Herstellung oder ich könnte davon erzählen, wie die Vorbesitzer zu ihm kamen und was sie veranlasste ihn aus der Hand zu geben. Aber ich könnte auch erklären welche Bedeutung er in meinem Leben hat. Das allein würde genügen, um einen Roman zu füllen. Deshalb will ich versuchen mich kürzer zu fassen, denn in den nächsten Abschnitten möchte ich jeweils eines der sieben Dinge meines Lebens vorstellen und ich habe nicht vor einen Roman daraus zu machen.

Teil 1: Die Entdeckung des Achaar
Matthias Gerhards 9. Apr, 22:04 | 8 Kommentare - Kommentar verfassen

Der reine Sex (Nix mit Liebe)

Heute hat mich mein Sohn aufgeklärt.
„Weiß du wie die Kinder gemacht werden?“ fragte er mich. Aber noch bevor ich mich auf den großen Moment einstellen konnte, legte er auch schon los.
„Aber ich weiß es, nämlich.“ Er grinste verschwörerisch.
„Aha?“
„Also du hast deinen Pimpel in die Scheide gesteckt und dann kam der Samen.“
Ich war etwas überrumpelt.
„Woher hast du das?“
„Von Wissen macht A.“ (Eine Wissenschaftssendung für Kinder.)
„Aha.“
Dann versuchte ich noch meinem Erziehungsauftrag gerecht zu werden. Ich erläuterte ihm, dass zu einer Zeugung auch die Liebe gehöre und eine Partnerschaft, denn schließlich müsse man die Kinder auch groß bekommen. Und das sei sehr schwierig. Aber er winkte ab.
„Mit Liebe hat das nix zu tun.“
„Nicht?“
„Neee. Wir haben uns ja auch lieb. Aber wir kriegen trotzdem keine Kinder.“
„So habe ich das bisher noch nie betrachtet.“ murmelte ich.
Aber er würde keine Kinder haben wollen, beruhigte er mich. Das sei ihm jetzt klar geworden.
„Wieso nicht?“
„Das geht nur mit Mädchen.“
Das wiederum fand ich einleuchtend. Aber wenn ich jetzt keine Enkelkinder bekomme, kann ich dann den Sender auf Rentenzahlung verklagen?
Matthias Gerhards 8. Apr, 22:26 | 12 Kommentare - Kommentar verfassen

Electric Babyland

Nachrichten aus Babyland:
BBBBBBBBBBB JMMCMLKMLKM
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Mein sechs Monate alter Sohn macht gerade seine ersten Schreibübungen. Ich finde im Zug der nordrheinwestfälischen Schulpolitik kann man nicht früh genug anfangen. An dem kleinen Wörtchen "zu" kann man deutlich erkennen, dass es sich um ein hochbegabtes Kind handelt. Vielleicht sollte ich jetzt schon mal einen Antrag für die gymnasiale Oberstufe stellen. Allerdings erlahmte sein Elan ein wenig, als er bemerkte, dass man ein Notebook weder gerade noch quer in den Mund bekommt.
Matthias Gerhards 6. Apr, 08:14 | 7 Kommentare - Kommentar verfassen

Der Ethnologe auf der Müllkippe

Erwähnte ich bereits, dass ich gelernter Kulturethnologe bin? Mir fehlt nur noch die Ausbildung und die Promotion, über ausreichend Erfahrung in der Feldforschung verfüge ich bereits.
Heute war ich auf dem Recycling-Hof. Das ist der moderne Name der guten alten Müllkippe. Dort durfte ich die letzten Reste patriarchaler Herrschaftsformen innerhalb der europäischen Zivilisation studieren.

Ich näherte mich mit einem voll beladenen Kombi und suchte den Dorfältesten auf. Zuerst musste ich das etwas eigentümliche Begrüßungsritual über mich ergehen lassen. In der Regel ist es notwendig, dass man zu Beginn ein Gastgeschenk überreicht. In Form von Bargeld. Kreditkarten werden nicht akzeptiert. Allerdings wird der Betrag in einer sehr komplizierten Verhandlungszermonie festgelegt.

„Guten Tag, ich habe hier verschiede…“
„Sin sie übahaup von hier?“
„Oh ja, ich wohne gleich zwei Str…“
„Zeijen se mal Personalausweis.“
Ich tat wie mir geheißen.
„Hmmm jud. Also wat hamse da?“
„Bauholz, Sperrmüll und Bauschutt.“
„Hmm. Dä Sperrmüll is Bauholz. Dat kostet. Un Schutt is eh teuer.“
„Werden die Sachen gewogen?“
„Jewogen nee, wie soll dat dann jehen? Is doch alles durschenander. Außerdem han mir jar kein Waaje.“
Mir wurde etwas bang zumute.
„Wie viel müsste ich denn dann bezahlen?“
„Ma sehen. Hmmm, Holz und n Zenter Bauschutt, pa sperrige Sachen.“
„Also zwanzisch Euro. OK?“

Mit dieser letzten Floskel wird die rituelle Zustimmung über den abgeschlossenen Handel eingeholt. Allerdings kann der Dorfpatriarch die Preise scheinbar nach Belieben festlegen. Er ist der letzte uneingeschränkte Herrscher in der abendländischen Welt. Frau Merkel und Herr Busch sind ein lahmer Zock dagegen. Er kann alle Gesetze seines Territoriums frei bestimmen. Über ähnliche Freiheiten verfügen ansonsten nur Baggerfahrer und Kranführer. Es bleibt dem Besucher also nichts anderes übrig als den Preis zu akzeptieren.

„OK.“
„Jut, zaln se gleich bei Iggi.“

Damit meinte er offensichtlich seinen russischen Gehilfen. Der hatte ein verschlagenes Gesicht und durchwühlte meinen Müll sofort nach verwertbaren Dingen. Er schien einer Kaste der Unberührbaren anzugehören, die für die Verwertung des Abfalls zuständig zu sein scheint. Offensichtlich ist es den Dorfältesten verboten sich unreinen Dingen zu nähern.
Matthias Gerhards 4. Apr, 21:42 | 6 Kommentare - Kommentar verfassen

Absturz Umzug

Erwähnte ich an dieser Stelle bereits, dass ich umziehen werde? Wir haben uns endlich für eine neuen Bleibe entschieden. Es war nicht einfach. Nachdem wir monatelang gesucht hatten, haben wir uns dann innerhalb eines Tages entschieden. Am Samstag wurde das Haus besichtigt und am Sonntag der Vertrag unterschrieben. Der Vermieter ist offensichtlich ein Mann der Tat. Das gefällt mir, obwohl ich selbst eher Theoretiker bin. Aber jetzt fängt der Umzug an. Das ist ein Unternehm von dem man sicher weiß, dass es eigentlich nur schief gehen kann. Ein Umzug ist ein kontrollierter Absturz ins Unbewohnbare.
Matthias Gerhards 3. Apr, 17:40 | 8 Kommentare - Kommentar verfassen

Fürst Pückler Vol III

Der dritte Teil der Fürst Pückler Story ist jetzt auch fertig. Den zweiten Teil habe ich nochmals erweitert. Außerdem habe ich versucht Frau Krall etwas mehr Leben einzuhauchen. Diesmal ohne Moleskine. In meinem Kopf entstehen immer mehr Geschichten, die sich an diese anschließen und erzählt werden wollen. Aber momentan weiß ich noch nicht genau was daraus werden soll. Eine vierten Teil wird es auf jeden Fall noch geben. Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Aber ich befürchte das Schlimmste.

Twoday setzt jetzt einen Cluster ein. Glückwunsch! Nach meiner Erfahrung hat man mit einem Clustern zwei Systeme und doppet soviel Ärger. Diesen Text jedenfalls habe ich zweimal schreiben müssen, weil mal wieder das Login weg war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich um einen geplanten Timeout handelt. Nicht nach 60 sek. Inzwischen speichere ich mir alles, was ich direkt schreibe in die Zwischenablage bevor ich speichere. Jedenfalls fast alles.
Matthias Gerhards 2. Apr, 00:17 | 2 Kommentare - Kommentar verfassen
ältere Beiträge

famose letzte worte

Frau mit gans
also kleine kaff ist etwas hart mülheim an der ruhr...
Sascha (Gast) - 16. Apr, 13:59
Auf jeden Fall ist es...
Auf jeden Fall ist es eine Leistung sich da hinzustellen...
Matthias Gerhards - 31. Jan, 14:26
Dass die junge Dame nicht...
Dass die junge Dame nicht das perfekte Lösungsangebot...
iGing - 25. Jan, 18:59

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