Eine kurze Geschichte meiner Welt in sehr kleinen Teilen.

Der Roman


Gott ist kein Zigarettenautomat Matthias Gerhards
Knaus Verlag 2013
ISBN: 978-3-8135-0550-4

Die Presse:
“eine beachtliche, stilsichere und höchst unterhaltsame Schelmen-, Underdog- und Coming-of-Age-Geschichte”
FAZ 10.12.13

"Bücher die der Verlag als witzig anpreist, sind es meistens nicht. Dieses schon."
Playboy Okt. 13

"ein herzergreifend poetisches Buch, ohne schnulzig zu sein... ein witziges Buch, ohne flach oder geschmacklos zu sein."
www.stagecat.de

"Ein beeindruckender, ergreifender, dichter Coming-of-Age Roman, der die 80er Jahre aufleben lässt..." Evangelisches Literaturportal Jan 2014

Von den Vorzügen der einseitigen Schiefstellung des Kopfes (nach Jean Paul)

Ich will, wenn es verziehen wird, den Leser
in die vier Pfähle meines Himmels einführen,
mögen auch sie einige taube Blüten
der Freude pflücken.
(Jean Paul, Das Glück auf dem linken Ohre
taub zu sein. Aus: Dr. Katzenbergers Badereise)


bild-schiefEines nachts während ich noch schlief, überfiel mich ein Zug. Das mag seltsam, klingen, aber es ist war. Es handelte sich nicht um einen D-Zug oder einen Bummelzug, auch nicht um einen Bremszug, sondern um einen Zugwind. Er gelangte aus noch ungeklärter Ursache in unser Schlafzimmer und befiel meinen Nacken. Weshalb er nur meine Halswirbelsäule erwischt hatte und nicht die meiner Liebe, wird wohl für immer ungeklärt bleiben. Jedenfalls spürte ich bereits in der Nacht eine seltsame Spannung und am Morgen, schien der Hals ein wenig steif zu sein.

Eigentlich nicht weiter schlimm. Aber schon während des Frühstücks begann sich der Kopf ein wenig zu Seite zu neigen. Angetrieben von dem seltsamen Spiel der Muskeln verstärkte sich die Schiefstellung derart, dass ich nun die Welt aus einer völlig neuen Perspektive betrachten kann. Da ich nun schon seit drei Tagen in den Genuss komme, meine Umgebung nicht mehr waagerecht zu betrachten, sondern aus einem Winkel von fünfundvierzig beobachten zu dürfen, habe ich inzwischen alle Vorzüge kennen gelernt, die dieser Zustand mit sich bringt. Sie erstrecken sich auf alle Bereiche des modernen Lebens und entfalten ihre Wirkung nicht nur bei der Selbstwahrnehmung, sondern auch in der Familie, beim Kunstgenuss und sogar in der Gesellschaft.

Aber beginnen wir am Anfang. Weil die Schiefhalsigkeit, nach Auffassung der Ärzte, auf eine Fehlsteuerung zurückgeht, die durch mein Zentralhirn (habe ich noch ein dezentrales?) ausgelöst wird, erhielt ich ungefragt und frei Haus eine ganze Palette von Drogen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man sie an der nächsten Straßenecke für gutes Geld hätte veräußern können. Allerdings zog ich es vor, diese selig machenden Substanzen selbst zu mir zu nehmen, da ich über ein gutes Langzeitgedächtnis verfüge. Aus meiner Jugend ist mir ihre bewusstseinsverschönernde Wirkung noch recht gut in Erinnerung.

julian-lacht1In der Folge dieser Ereignisse, bemerkte ich recht bald, dass mein Zustand noch einige andere Vorzüge bot, die vor allem das Familienleben erleichterten. Die von allen Mitgliedern meiner gesellschaftlichen Keimzelle gefürchtete Miesepetrigkeit, war mit einem Schlag verschwunden. Mein jüngster Sohn schien von meiner Schräghalsigkeit gleich so begeistert, dass er mir ständig glucksende Bekundungen seiner Freude entgegen warf. Sein Glück steigerte sich geradezu ins Frenetische, wenn ich bei einer unachtsamen Bewegung lustig das Gesicht verzog.

Aber auch in vollkommener Ruhe barg meine Daseinsform noch ungeahnte Genüsse. Die Kunstwerke in unserer bescheidenen Behausung, wirkten plötzlich als seien sie mindestens zu einem Viertel von der Gnade eines Anselm Kiefer gesegnet worden. Denn dieser hat bekanntlich seinen ersten Ruhm eingeheimst, als er seine Werke auf den Kopf gestellt und auch in dieser Position aufgehängt hatte. So kann ich nun auch die langweiligsten Ausstellungen besuchen, die eigentlich nur für leiderprobe Abonnenten vorgesehen sind und erblicke nur die interessantesten Bildwerke.

Auch gesellschaftlich genieße ich das höchste Glück. Nämlich absolute Freiheit. Enervierende Veranstaltungen, kann ich nun kurzerhand absagen. Dazu gehören in meinem Fall Sylvesterpartys und Neujahrempfänge. Entschiede ich mich allerdings dennoch, meinen ungestalteten Leib ins Getümmel zu werfen, so gelänge es mir dank meiner Schiefhalsigkeit mühelos, die Aufmerksamkeit selbst der attraktivsten Damen zu erregen. Allerdings muss ich gestehen, dass es in diesem Fall leider auch bei der Erregung bleibe, denn Liegen gehört zu den Tätigkeiten, die mit meinem Zustand leider gänzlich unvereinbar sind. Dafür habe ich während der langen, schlaflosen Nächte, nun genug Gelegenheit, um humoristische Abhandlungen wie diese hier zu verfassen. Was angesichts meines ausgeprägten Wunsches nach Kreativität ein weiterer Vorteil ist.
Matthias Gerhards 2. Jan, 14:08 | 2 Kommentare - Kommentar verfassen
7an - 2. Jan, 20:27

durch einen zug kommt sowas nicht, aber woher sonst, weiß ich auch nicht. hatte sowas nur einmal - mit 15 oder so. man kommt sich schon ein wenig blöd vor, wenn man mit schiefem kopf rumlaufen muss.
antworten

Matthias Gerhards - 3. Jan, 07:02

Ich jedenfalls habe das Gefühl, als sei der nämlich über meinen Kopf gefahren. Außerdem kann ich nicht mehr Auto fahren und muss jeden Tag tatsächlich 1:30 Stunden mit dem Zug fahren. Klappt erstaunlich gut. Das mache ich jetzt immer.

famose letzte worte

Frau mit gans
also kleine kaff ist etwas hart mülheim an der ruhr...
Sascha (Gast) - 16. Apr, 13:59
Auf jeden Fall ist es...
Auf jeden Fall ist es eine Leistung sich da hinzustellen...
Matthias Gerhards - 31. Jan, 14:26
Dass die junge Dame nicht...
Dass die junge Dame nicht das perfekte Lösungsangebot...
iGing - 25. Jan, 18:59

meine gadgets


aBook S.240 (500 KB)


aPod 2 (100% analog)


aWriter 1 (100 cpm)

archiv

Juni 2017
März 2014
Januar 2014
Dezember 2013
Juni 2013
Mai 2013
Oktober 2010
Juli 2009
Dezember 2008
November 2008
Juli 2008
Juni 2008
Mai 2008
April 2008
Januar 2008
Dezember 2007
November 2007
Oktober 2007
September 2007
August 2007
Juli 2007
Juni 2007
Mai 2007
April 2007
März 2007
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006
August 2006
Juli 2006
Juni 2006
Mai 2006
April 2006
März 2006

finde deinen weg

 

people


  • mindelan
  • rundumschlag24

so bist du...

Du bist nicht angemeldet.
  • login

meine sorte

 ...Bibi a Mi(nga)...
 ABRAUM
 Barbara A. Lehner - Einblicke
 Blogofficer Anobella
 Melancholie Modeste
 notizbuch eines journalisten
 nömix
 opablog

development