Collodi ist zu traurig (14.12.06)
Der Versuch meinem Kind frühzeitig literarische Bildung einzuimpfen, kann getrost als gescheitert betrachtet werden. Nach der zweiten Lektüre von Collodis Pinocchio, möchte er lieber wieder ein „richtiges Kinderbuch“ vorgelesen bekommen. „Das ist mir zu traurig“, sagt er und schaut mich dabei wirklich ganz herzerweichend an. Dabei waren wir noch nicht einmal bei der blinden Katze und dem lahmen Fuchs angekommen. Aber während ich noch überlegte, ob ich es noch einmal mit einem der lustigeren Kapitel versuchen sollte, fiel mir ein, dass es mir als Kind auch nie gelungen ist, Pinocchio bis zum Ende zu lesen. Ich konnte es nicht ertragen, dass der Hampelmann immer wieder in die gleichen unsinnigen Fallen hinein tappte und sich nicht nur von Katze und Fuchs hereinlegen ließ, sondern auch auf den Quatsch mit dem Spielzeugland hereingefallen ist. Ständig hatte ich während des Lesens das Bedürfnis, dem kleinen Held zuzurufen: Mach es nicht! Das ist doch wieder nur ein Trick! Geh zurück zu deinem Vater! Aber es half nichts. So habe ich das Buch immer nach einiger Zeit aus der Hand gelegt. Bis heute kenne ich das Ende nur aus Erzählungen. Mein späterer Versuch wenigstens die Disneyverfilmung bis zum Schluß durchzustehen, gipfelte darin, dass ich tränenblind die Kindervorstellung verlassen musste. Da war ich schon fast dreißig.




weich