Mohnblumen (08.05.2006)
Als ich den Blumenladen betrat und den Mohn entdeckte, der in seiner runzeligen Schönheit, alle Weisheit der Blumen in sich zu vereinen schien, dachte ich sofort an deine Stimme, an die glatte Erhabenheit deiner Haut und an dein rosiges Geschlecht, an deinen Mund, an deine Küsse und den weißen Flaum auf deinen Wangen, nach dem ich mich so sehr sehnte, dass ich kein Wort mehr hervorbringen konnte und für die Schönheit der Verkäuferin mit ihrem hellen Lächeln gänzlich unempfänglich war. Schweigend zeigte ich auf den Mohn, dessen fliederfarbene, gelbe und rote Blüten grazil herab hingen. Eingedenk ihrer eigenen Schönheit witterte die Verkäuferin meine Missachtung und bedachte mich wie ein Kind oder einen alten Mann mit beruhigenden Floskeln, die sie mit lauter, deutlicher Stimme vortrug. „Der Mohn, kommt aus Italien. Von der Blumen Riviera. Er wächst unter schwarzen Tüchern, weil er keine Sonne verträgt.“ Ich nickte, bezahlte, nahm die Blumen in Empfang und fühlte mich augenblicklich wie eine in der Dunkelheit gewachsene Mohnblüte und trat blinzelnd in das Sonnenlicht eines langen, einsamen Tages, den ich damit zubringen würde auf deine Rückkehr zu warten.